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Knud Rasmussen – Hundeschlittenmeister und Polarforscher

Knud Rasmussen ist eine spannende historische Figur. Der auf Grönland geborene Däne war nicht nur ein begnadeter Hundeschlittenfahrer. Kaum ein Polarforscher hat sich zudem mit solcher Hingabe der Kultur der Eskimos gewidmet wie er. Seine Thule-Expeditionen sind legendär. Zeit, ihm heute einen würdigen Blogbeitrag zu widmen.

Ein geborener Grönländer

Knud Rasmussen wurde als Knud Johan Victor Rasmussen am 7. Juni 1879 in Jakobshavn, Grönland, geboren. Sein Vater war Pfarrer in der grönländischen Gemeinde. Seine Mutter war Grönländerin – Knud hatte die Insel damit schon als Kind im Blut. Der Junge wuchs mit der grönländischen Natur auf und lernte auch das Leben der Eskimos kennen. Allerdings konnte die größte Insel der Welt dem Jungen damals nicht die Ausbildung bieten, die seine Eltern sich für ihn wünschten. Daher wurde er im Alter von 12 Jahren auf das dänische Festland geschickt, um dort seine Schulbildung fortzusetzen.

Die frühen Jahre

Was wird wohl ein auf Grönland geborener Entdecker studieren? Genau: Philosophie! Liegt das nicht auf der Hand? Zu damaligen Zeiten war das ein sehr beliebtes Studium. Zudem war es eine gute Grundlage, um andere Kulturen zu erforschen. Daher widmete sich auch Knud Rasmussen dieser Studienrichtung. Allerdings konnte er seine Herkunft nicht vergessen. Grönland rief immer wieder nach ihm. Sein Interesse galt vor allem der einheimischen Bevölkerung Grönlands.
Im Jahr 1900 schloss Knud sein Studium erfolgreich ab. Im selben Jahr lernte er Ludvig Mylius-Erichsen kennen, was dazu führte, dass die beiden zusammen mit dem Maler Harald Moltke und Jørgen Brønlund an der Literarischen Expedition von 1902-04 entlang der Westküste Grönlands und über die Melville-Bucht bis zum Thule-Gebiet teilnahmen.

Botschafter Dänemarks

Knud Rasmussen war ein vielfach interessierter und talentierter Zeitgenosse. Er interessierte sich für viele verschiedene Unternehmungen im Zusammenhang mit Grönland. 1905 ging er daher in die Rentierzucht. Er untersuchte im Jahre 1905 welche Möglichkeiten der Zucht es im Landesinneren von Grönland gab. Doch immer wieder zog es ihn zu den Inuit Grönlands und hier vor allem nach Thule. Er hielt sich hier von 1906 bis 1908 auf und lernte die Kultur, die er seit seiner Kindheit kannte, noch besser zu schätzen.

Mit seiner Herkunft, seiner Ausbildung und seiner Begeisterung für Grönland war er für das Königreich Dänemark ein idealer Botschafter. Denn noch fremdelten viele Einheimische mit der fernen Regierung in Dänemark. Daher erhielt er 1909 vom Innenministerium in Dänemark den Auftrag, die Inuit über Dänemark und die dortige Regierung zu informieren und ihr Vertrauen zu gewinnen. In Folge dieses Auftrags gründete Knud dann 1909 in Thule zunächst eine Missionsstation, bald darauf aber auch privat eine Handelsstation. Letztere sollte für die weiteren Jahre sehr wichtig sein, denn von hier aus starteten viele Expeditionen. Das Gebäude wurde übrigens 1986 nach Qaanaaq verlegt. Dort dient es heute als Museum.

Der Grönländer

Knud Rasmussen war ein charmanter Mensch, jedenfalls nach grönländischen Maßstäben. Gebildet und doch naturverbunden, im Auftrag einer dänischen Regierung und doch Grönländer im Herzen: so gewann Rasmussen die Zuneigung der Menschen, wo immer er auch war. Er beherrschte die Sprache der Eskimos und lernte von ihnen die Kunst des Hundeschlittenfahrens – bald schon galt er darin als einer der größten Meister seiner Zeit. Auch ein Akademiker im Herzen, untersuchte er mit wissenschaftlichen Methoden die Kultur und die Lebensweise der arktischen Völker. Auf diese Weise sollte er insbesondere in späteren Jahren wichtige wissenschaftliche Werke veröffentlichen, die zum Teil auch internationale Bestseller wurden. In zahlreichen belletristischen Werken und Sachbüchern wurden diese veröffentlicht, darunter Mythen und Legenden aus Grönland, 1-3 (1921-25), Von Grönland zum Pazifik, 1-2 (1925-26), und in der Reihe Bericht der Fünften Thule-Expedition 1921-24, 1-10 (1927-88).

Vorbereitung der 1. Expedition

1911/12 sollte es dann auf die erste, große Expedition gehen, die Rasmussen selbst leitete. Das war die sogenannte 1. Thule-Expedition. An seiner Seite stand Peter Freuchen.
Ordnen wir die Expedition kurz in die damalige Zeit ein. Grönland galt im Wesentlichen als erforscht, wenigstens der Küstenverlauf schien geklärt. Allerdings gab es noch einige unerforschte Gebiete im Norden. Rasmussen beschloss zunächst, diesen Bereich zu untersuchen, änderte seine Pläne dann jedoch, zu der wir eine kurze Vorgeschichte erzählen müssen. 1908 gab es eine sogenannte Dänemark-Expedition, die vor allem den Nordosten Grönlands erforschte. Dabei waren drei Männer verschwunden: der Leiter Mylius-Erichsen, der Kartograph und der grönländische Schlittenführer. Zwar wurde die Leiche von letzterem gefunden – auch mit wichtigen Karten. Doch die bei der Leiche gefundenen Schriften ließen darauf schließen, dass die anderen beiden vermissten Männer noch weitere wichtige Informationen und Karten bei sich hatten. Daraufhin brach 1909 die sogenannte Alabama-Expedition zu ihrer Suche auf. Doch auch diese Expedition stand unter keinem guten Stern: Im Eis wurde das Expeditionsschiff Alabama, nach dem die Expedition benannt war, im Eis zerdrückt.

Der Expeditionsleiter Ejnar Mikkelsen und sein Begleiter Iver Iversen waren zu dieser Zeit im Norden unterwegs, während die restliche Mannschaft von einem Walfänger aufgenommen wurde. Rasmussen fühlte mit Mikkelsen. Es war das Zeitalter der Entdecker, und die Männer, die diese Begeisterung im Herzen trugen, fühlten sich oft verpflichtet einander zu helfen. Daher brach Rasmussen im Oktober 1911 mit dem Grönländer Qulutanguaq zur Melville-Bucht auf, denn er glaubte, Mikkelsen würde den Weg in diese Richtung suchen. Zwei Wochen hatten die Männer für die Suche eingeplant. Daraus wurden zwei Monate – denn sie trafen auf eine harte Witterung, die jedes Fortkommen zu einer Qual machte.

Die 1. Thule – Expedition

Aber Rasmussen gab nicht auf. Nun sollte 1912 die 1. Thule-Expedition unter seiner Leitung starten. Offiziell ging es der Expedition auch darum, einen vermuteten Pearykanal und die angrenzenden Regionen zu kartographieren. Doch vor allem ging es Rasmussen darum, Mikkelsen und seinen Begleiter zu finden.
Rasmussen setzte dabei auf das Wissen der Eskimos. Nun kamen ihm die Jahre zugute, in der er die Kultur der Eskimos und ihre Lebensgewohnheiten studiert hatte. Er setzte (jedenfalls vornehmlich; bei späteren Expeditionen brauchte er sie für die Überwindung von Gewässern) nicht auf Schiffe, sondern auf Hundeschlitten. Auch er hatte eine tiefe Verbindung und Zuneigung zu den Hunden, die die Schlitten über das mächtige Eis ziehen sollten, gebildet. Daneben nahmen er und seine Begleiter Gewehre, Munition, Kocher und Petroleum sowie Werkzeuge mit. Das Besondere an seiner Expedition: Er verzichtete auf große Essensreserven. Normalerweise stand Nahrung im Vordergrund beim Proviant, auch eingeplant für viele Monate. Wer aber viel Proviant mitnahm, wurde langsam. Rasmussen nahm wenig mit. Sein Vorgehen: Er wollte klein und beweglich bleiben, schnell vorankommen – und mit den Hunden und den Männern auf die Jagd gehen. Das war gefährlich – was, wenn sie keine Wildtiere fanden oder wegen schlechter Witterung nicht finden konnten? Aber Rasmussen ging das Risiko ein, im Vertrauen auf das, was er von den Eskimos gelernt hatte.
In der Hinsicht verlief die Expedition sehr gut. Die Reise führte nach Norden. Am 4. Juni stieß die Expedition auf Mylius-Erichsens ehemaliges Sommerlager. Doch nirgendwo war eine Nachricht zu finden. Daher glaubte Rasmussen, der andere Expeditionsleiter sei schon viel weiter südlich, und gab die Suche auf. Nun widmeten sich die Männer wieder ganz der Expedition selbst, dem Erkunden von Neuem und Unbekannten: Die Expedition reiste nun zum Independence-Fjord und setzte nach Pearyland über. Hier fanden die Männer alte Zeltringe, die davon zeugten, dass die Region einst bewohnt war, was als Sensation galt.
Der Rückweg war sehr beschwerlich, und die tapferen Schlittenhunde starben nach und nach unter den harten Anstrengungen der Expedition. Das mag den Leser traurig machen, aber das war auch damals für solche Expeditionen nicht ungewöhnlich. Auf dem Rückweg im Frühjahr 1912 startete Rasmussen noch mit 27 Hunden. Doch die Strapazen wurden nicht geringer. Schließlich erreichten die Männer am 15. September 1912 ihren Ausgangspunkt – nur noch mit einem Schlitten und acht überlebenden Hunden.

Weitere Expeditionen

Rasmussen war nach der Expedition mit ihren kartographischen Erfolgen und den archäologischen Funden, aber auch durch seine Werke, ein berühmter Mann. Nun war es für ihn möglich, weitere Expeditionen zu führen. Über jede dieser Thule-Expeditionen könnten wir einen eigenen Blog schreiben, aber wir beschränken uns hier zunächst auf die Daten: Von 1916 bis 1918 leitete er die Zweite Thule-Expedition, die ihn, seine Männer und die treuen Schlittenhunde entlang der Nordwestküste Grönlands bis zum DeLong-Fjord führte. Die Dritte-Thule Expedition folge dann im Jahr 1919, allerdings ohne Rasmussens Beteiligung. Beteiligt war er dann wieder an der Vierten Thule-Expedition von 1919 bis 1920, die die Männer durch Ostgrönland führte.

Die Fünfte Thule-Expedition

Weltberühmt ist schließlich die Fünfte Thule-Expedition, der wir daher in diesem Beitrag noch besondere Aufmerksamkeit widmen wollen. Auch zwei Grönlander sollten ihn begleiten, als er Thule 1912 verließ: eine grönländische Frau namens Arnarulunguak und ein junger Mann namens Qaavigarsuak. Drei Jahre sollten diese drei unerschrockenen Entdecker auf einer der größten Hundeschlittenexpedition aller Zeiten unterwegs sein, quer durch Grönland, durch die kanadische Arktis und bis nach Ostsibirien. Es sollte eine fantastische Reise quer durch die Arktis werden, die das Herz jedes Polarforschers beim bloßen Gedanken daran schon höher schlagen lässt.

Doch diese berühmte Expedition sollte sehr schlecht starten. Zwei von 14 Mitgliedern der Expedition verstarben, bevor die Teilnehmer Grönland verlassen konnten. Vermutlich erlagen sie der damals um sich greifenden weltweiten Pandemie der Spanischen Grippe. Doch damit nicht genug: Das Versorgungsschiff der Expedition, die MS Bele, strandete auf dem Weg nach Thule an der Küste Grönlands und ein Großteil der Ausrüstung wurde zerstört.
Auch in diesem schrecklichen Moment schrieb Rasmussen Geschichte. Denn das erste in Grönland versandte Telegramm berichtete von der Strandung des Schiffes. Wie es der Zufall so wollte, war damals der dänische König Christian X. mit seinem Schiff „Island“ auf Grönland. Gemeinsam mit Rasmussens Schiff Søkongen setzten sie Kurs gen Norden, um die Besatzung und den noch verwertbaren Teil der Fracht zu retten.

Daher konnte Rasmussen erst im September 1921 mit seinem Schiff Grönland verlassen und segelte dann in die Hudson Bay. Er landete an einer kleinen Insel namens „Danske øen” (dt. die dänische Insel) im Foxe Basin in Nunavut, Kanada. Hier wurde die Basis der Expedition errichtet, die den Namen „Blæsebelgen” (dt. der Blasebalg) trug. Wie ein Blasebalg wurden von dort aus dann verschiedene Expeditionen mit unterschiedlichen Zielen ausgesandt. Die dänischen Archäologen Kaj Birket-Smith und Therkel Mathiassen sollten verschiedene archäologische Fundstätten identifizieren und unterschiedliche Kulturen, Zeitperioden und Migrationsbewegungen kartieren. Sie stellten die Theorie für die so benannte Thule-Kultur auf:
Andere Expeditionsteilnehmer konzentrierten sich auf die Biologie und die Kartografie der Region. Rasmussen selbst widmete sich ganz dem Studium der Kultur der Inuit, ihrer Traditionen, ihrer Mythen. Rasmussen ging es vor allem darum, die einheimischen Menschen auf der Reise kennenzulernen, was ihm wegen seiner Herkunft und seiner Kenntnisse gelang. Für damalige Zeiten gelang ihm auf dieser Expedition ein sagenhafter, bis heute wichtiger Nachweis: Er wies nach, dass die Inuit Grönlands, Kanadas, Alaskas uns Sibirien gemeinsamer Herkunft sind. Zwar gibt es bezüglich ihrer Lebensweise deutliche Unterschiede, die auch in voneinander abweichenden Lebensbedingungen begründet sind. Doch es sind ihre Sprache, ihre Mythen, die Geschichten, die sie einander erzählten, die die gemeinsame Herkunft belegten. Rasmussen wies nach, dass diese vielen Spuren sich über Tausende von Jahren zurückverfolgen lassen. Er war vielleicht der größte Eskimoforscher aller Zeiten. Die Expedition kehrte als voller Erfolg zurück. Rasmussen beschrieb sie in der Buchreihe Across Arctic America (1927).

Spätere Reisen

Keine der späteren Expeditionen sollten den sagenhaften Ruhm der großen fünften Thule-Expedition wieder erreichen, wenngleich auch sie wichtige Beiträge für die Wissenschaft lieferten. Die sechste Thule-Expedition fand 1931 statt, die siebte Thule-Expedition durch Ostgrönland umfasste die Zeit 1932-1933. Sieben sagenhafte Expeditionen, die die Wissenschaft weit voranbrachten. Von der letzten Expedition kehrte Rasmussen leider krank zurück. Er starb 1933 schließlich in Dänemark.

Rasmussen wurde 1924 mit der Ehrendoktorwürde der Universität Kopenhagen ausgezeichnet, und sein Wohnhaus von 1917 am nördlichen Stadtrand von Hundsted ist heute ein Museum.

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