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Roald Amundsen – Sein Leben: Teil 3: Das Rennen zum Südpol beginnt (Amundsen vs. Scott Part 1)

Begleiten wir Roald auf diese Expedition und dieses Rennen, und verstehen wir, warum er am Ende gewann. Der erste Part behandelt dabei die Vorbereitung – und wie es zu dem Rennen kam. Denn diese Geschichte ist wichtig, um das zu verstehen, was dann am Südpol geschah.

Ein Telegram

Er schloss einen kurzen Moment die Augen und genoss die Luft Madeiras. Der Geruch des Meeres, die warme Sonne auf seinem Gesicht, das Gefühl der Freiheit. Die Fram lag sicher im Hafen und für einen Moment glaubte Roald Amundsen mit dem Schiff verbunden zu sein – ein Gefühl, dass er häufig in besonderen Momenten an Bord verspürte. Das Schiff war schon dort gewesen, wo es ihn und seine Männer jetzt hinführen würde – wenn sie ihm folgten. Das Schiff, dieses Schiff, hatte bereits unter Nansen das Eis an seinem Bug gespürt, hatte die tückischen Wellen der Arktis gemeistert, die Kälte, die Belastung, wenn das Eis gegen sein Holz drückte – und war stets zurückgekehrt. Das würde es auch dieses Mal, sagte sich Amundsen, öffnete die Augen und drehte sich zu seinen Männern um.

„Tapfere Männer Norwegens,“ sagte er und blickte jedem von ihnen ins Gesicht. „Ich habe eben ein Telegramm versandt. Wollt ihr hören, was in ihm stand?“

„Ja, Kapitän,“ antworteten sie.

Amundsen lächelte. „Es war ein Telegramm an Sir Robert Falcon Scott von der britischen Navy. Sein Text lautete: Erlaube Sie zu informieren Fram unterwegs nach Antarktis – Amundsen.“

Er ließ die Worte auf die Männer wirken. Sie sahen erst einander an, dann wieder ihn. Keiner sprach ein Wort.

„Wir werden auf die größte Expeditionsreise der Menschheit gehen, meine Freunde. Wir gehen dahin, wo kein Mensch zuvor war,“ fuhr Amundsen fort. „Wir werden den geografischen Südpol finden.“

Die Männer nickten, sie hatten diesen Schluss aus den Worten vorher bereits selbst gezogen. Immer noch sagte keiner ein Wort.

Amundsen sah sie ruhig an, einer nach dem anderen, während er sprach. „Jeder, der hier von Bord gehen will, kann das tun. Kein schlechtes Wort soll jemals über ihn gesprochen werden, kein schlechter Gedanke in seine Richtung gehen. Es ist ein gefährliches Wagnis. Scott ist unterwegs mit über 30 Männern, finanziert von der Royal Navy. Wir sind wenige. Aber…“ Amundsen hielt inne. „Aber wir werden es schaffen. Weil wir besser vorbereitet sind. Weil wir den Weg wählen werden, den auch die Inuit gewählt hätten, mit unseren treuen vierbeinigen Gefährten. So werden wir es schaffen. Und als Helden zurückkehren.“

Noch einmal sah er sie ruhig an. „Hebt die Hand, wenn ihr mit mir kommen wollt. Auf das gefährlichste – auf das größte – auf das bedeutendste Wagnis eures Lebens.“

Es dauerte nicht lange.

Alle Männer hoben die Hand.

Amundsen nickte. „Segel setzen,“ sagte er, drehte sich um und lächelte.

Roald Amundsen

Roald Amundsen ist wohl der größte und wichtigste, aber auch einer der umstrittensten Polarforscher, der je gelebt hat. Daher widmen wir seinem Leben und seinen großen Taten mehrere Blogbeiträge, in der wir auch die Person Roald Amundsen beleuchten und erklären, wie er zu dem Mann wurde, der er war – und welche unglaublichen Schwächen er auch hatte. Teil 1 unserer Beitragsreihe widmete sich seiner Kindheit, seinen Jugendjahren und seiner Belgica-Mission, in Teil zwei ging es dann um seine erste große Ruhmestat mit der Durchquerung der Nordwestpassage.

Jetzt widmen wir uns einer der spannendsten Geschichten: Dem Wettlauf zum Südpol. Auch noch hundert Jahre später ist der Zweikampf zwischen Robert Falcon Scott und Amundsen eine legendäre und tragische Geschichte, über deren Details noch immer gestritten wird. Oftmals geht es dabei um die Fragen, wie gut die beiden Männer vorbereitet waren, wie sie sich verhielten, welche Rolle dabei auch das Glück hatte und nicht zuletzt über ihre Vermächtnisse. Beide führten fünfköpfige Teams an die Pole-Position, doch während Amundsens Team lebendig und gesund zurückkehrte, starb Scotts Gruppe auf der Rückreise.

Die Rückkehr nach Norwegen nach der Durchquerung der Nordwestpassage

1906 war Amundsen schon ein berühmter Mann, hatte er doch gerade die Nordwestpassage durchquert und damit Weltruhm für Norwegen gebracht. Als er nach der Durchquerung in Amerika an Bord ging, erfuhr Amundsen von der Auflösung der Union zwischen Norwegen und Schweden und dass er einen neuen König hatte. Der Entdecker schickte dem neuen König, Haakon VII., die Nachricht, dass seine Durchquerung der Nordwestpassage „eine große Errungenschaft für Norwegen war“. Amundsen war klug und plante bereits zu dieser Zeit eine neue Expedition – denn sein Entdeckerherz schlug weiter, und eine Heldentat war noch lange nicht genug. Im November 1906 kehrte er zurück nach Oslo. Für alle diejenigen, die es interessiert. Die Gjøa, das berühmte Schiff, mit dem er die Nordwestpassage durchquert hatte, wurde erst 1972 an Norwegen zurückgegeben und an Land vor dem Fram-Museum in Oslo gebracht, wo sie sich heute in ihrem eigenen, dem Museum gewidmeten Gebäude befindet.

Nun also war die Nordwestpassage durchquert. Aber was war das nächste große Abenteuer? Viele denken, Amundsen plante dann gleich die Reise zum Südpol. Aber das stimmt nicht: tatsächlich war Amundsens Blick zunächst starr nach Norden gerichtet. Er wollte den Nordpol erobern, für Norwegen, aber natürlich auch für seinen eigenen Ruhm. Seine Planungen begannen zunächst im Geheimen, und er weihte nur wenige Menschen, vor allem seinen Bruder Leon, ein. Am 10. November 1908 machte Amundsen seine Pläne, den Nordpol zu erobern, öffentlich. Anlässlich einer Tagung der Norwegischen Geographischen Gesellschaft legte er seine nächste geplante Expeditionsreise offen: Er würde sein Schiff um Kap Hoorn herum zum Pazifischen Ozean bringen; nach der Versorgung in San Francisco würde das Schiff weiter nach Norden fahren, durch die Beringstraße nach Point Barrow. Von hier aus würde er einen Kurs direkt in das Eis setzen, um eine Drift zu beginnen, die sich über vier oder fünf Jahre erstrecken würde. Er wollte Wissenschaft in großem Umfang ermöglichen, ebenso aber auch die geographische Erkundung im Namen der norwegischen Krone. Kein Wunder also, dass sein Plan begeistert aufgenommen wurde. Die norwegische Krone schenkte ihm 20.000 Kronen. Am 6. Februar 1909 bewilligte das norwegische Parlament einen Zuschuss von 75.000 Kronen für die Umrüstung seines Schiffes (siehe unten). Amundsens treuer Bruder Leon schließlich wurde mit der Mittelbeschaffung und der Organisation der Expedition betreut – Hintergrund war, dass Amundsen sich vor allem auf die Zusammenstellung der Ausrüstung konzentrieren wollte.

Und dann – dann kamen die Dinge anders 1909, mit einer folgenschweren Meldung, die sich später als ein Irrtum erweisen sollte.

Der alte Fuchs

Er studierte die Karten und beuge sich vor, um noch mehr Details zu erkennen. Wenn er diese Richtung einschlagen würde mit seiner Mannschaft, dann…

„Roald! Roald!“

Er drehte sich um. Sein Bruder Leon war in das Zimmer gestürmt, aufgeregt, mit einer Zeitung in der Hand. Roald blickte ihn stirnrunzelnd an, während sein Bruder ihm eine Zeitung unter die Nase hielt. „Lies!“

Amundsen blickte auf die Überschrift und sein Atem fror ein. Er nahm das Papier in die Hand und las es. „Cook,“ sagte er, und unwillkürlich musste er auch lächeln. „Der alte Fuchs. Vor 10 Jahren wusste er nicht einmal, wie man eine Robbe fängt, und nun hat er es geschafft.“

„Sie behaupten, den Nordpol gefunden zu haben. Roald. Was machen wir jetzt?“

Für einen kurzen Moment war Roald Amundsen still. Dann ging er hinüber zu seinem Schreibtisch und blickte auf den dort liegenden Globus. Er drehte ihn kurz. Schließlich blickte er aus dem Fenster. „Wir machen weiter,“ antworte er.

Die Nordpol-Entdeckung

1909 behaupteten die Amerikaner Frederick Cook und Robert Falcon Peary, den Nordpol durch zwei verschiedene Expeditionen erreicht zu haben. Das war, wie sich später herausstellte, nicht korrekt, aber Amundsen konnte das damals nicht wissen. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass es ausgerechnet Cook war, den Amundsen als ersten Maat auf der Belgica-Mission kennen gelernt hatte – beide Männer hatten damals eng zusammen gearbeitet, um die Expedition und ihre Teilnehmer zu retten, und während Cook ein cleverer Schiffsarzt war, der die Gesundheit der Männer rettete, war es vor allem Amundsen gewesen, der für die Nahrung der Männer gesorgt hatte und das Überleben unter den harten antarktischen Bedingungen gesichert hatte. Ausgerechnet dieser Cook war es nun, der Amundsen geschlagen hatte?

Aber Amundsen haderte nur kurz mit seinem Schicksal. Für ihn musste es weiter gehen. In seinem Wesen lag die Entdeckung. Sein Blick wandte sich nach Süden – der Südpol sollte sein neues Ziel sein. Gleichwohl hatte er Sorge, dass ihm auch hier jemand zuvorkommen würde – denn es war das Zeitalter der Entdecker und es gab auf dieser Welt nicht mehr viel Neues zu Entdecken. Daher ließ er viele Menschen um sich herum im Unklaren, wohin seine Reise gehen sollte, und führte sie sogar bewusst in die Irre. Auch das war Amundsen – emotional „skrupellos“, um seine Ziele zu erreichen, und sich wenig um die Belange seiner Geldgeber kümmernd – wie schon vor dem Aufbruch zur Entdeckung der Nordwestpassage war er bereit, die Wahrheit seinen Zielen unterzuordnen.

Einer der Männer, außerhalb Norwegens, die sich von Amundsen in die Irre geführt sahen, war der Brite Robert Falcon Scott.

Ein ungeplantes Rennen beginnt

Was als Rennen zum Südpol bekannt geworden ist, ist eher zufällig als absichtlich entstanden. Zu keinem Zeitpunkt gaben Amundsen und Scott ein Rennen bekannt oder planten es, beide planten Expeditionen, die den Ehrgeiz hatten, als erster Mensch eines der letzten großen geographischen Ziele der damaligen Zeit, den Südpol, zu erreichen.

Aber wer war Robert Falcon Scott, der Gegenspieler von Amundsen?

Robert Falcon Scott wurde am 6. Juni 1868 geboren. Er durchlief eine Offizierslaufbahn in der Royal Navy und ergriff die Chance, auf dem Forschungsschiff Discovery das Kommando zu übernehmen. In dieser Funktion leitete er 1901-1904 die Discovery-Expedition, auf der er mit dem Polarforscher Ernest Shackleton einen Vorstoß Richtung Südpol unternahm und bei dem die Männer mit dem Erreichen der geographischen Breite von 82° 17′ S einen neuen Südrekord aufstellten. Diese Discovery-Expedition begründete Scotts legendären Ruf im Commonwealth-Empire – und auch die tiefe Rivalität mit Shackleton, den er auf dieser Expeditionsreise später als Kommandeur nach Hause senden sollte – angeblich, weil er dienstuntauglich war. Shackleton wollte sich „revanchieren“, indem er mit der Nimrod-Expedition 1907-1909 selbst den geografischen Südpol erreichen wollte. Aber er scheiterte.

Nun bereitete Scott, mit Unterstützung der britischen Navy und dem englischen Königshaus, seine eigene Expeditionsreise zum Südpol vor. Im Namen seiner Majestät sollte er mit seiner Crew als erste Menschen den geografischen Südpol erreichen und den Glanz Großbritanniens in der Welt verbreiten. Nichts und niemand schien ihn auf seiner gut vorbereiten Expedition aufhalten oder überholen zu können. Aber dann kam Roald Amundsen.

Vorbereitungen und ein legendäres Schiff

Amundsen hörte von den Plänen von Scott, aber gab seine eigenen Pläne nicht öffentlich preis. Es erschien ihm klüger, im Verborgenen zu arbeiten. Noch sah alles so aus, als wollte er an seinen Nordpol-Plänen festhalten.

Fridtjof Nansen

„Warum sollte ich Dir die Fram immer noch geben, Roald?“ fragte Fridtjof Nansen, und ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. Er mochte Roald. Amundsen war arrogant und oft verschlossen, und Fridtjof war sich ziemlich sicher, dass der jüngere Mann schamlos log oder jedenfalls die Wahrheit verbarg. Aber bei Gott, er hatte Schneid.

„Sie ist ein Schiff gemacht für Entdeckungen, Fridtjof. Nicht dazu, im Hafen zu liegen,“ antworte Roald Amundsen. Er breitete die Arme aus. „Und es gibt noch so viel zu entdecken!“

„Aha,“ sagte Nansen amüsiert. „Und Du wirst der Mann sein, der diese Entdeckungen vornimmt? Im Norden? Im Süden.“

Amundsen lächelte. „Überall, Fridtjof, überall. Und nein, nicht ich. Oder nicht nur. Norwegen wird es entdecken. Und Du hilfst mit der Fram.“

Nansen blickte skeptisch drein. „Man erzählt sich Geschichten über Dich, Roald. Über das, was Du vorhast. Wenn Du glaubst, Du kannst den Südpol tatsächlich erreichen, dann irrst Du Dich. Das wird Dir auch mit der Fram nicht gelingen.“

Amundsen beugte sich vor und seine Stimme wurde ruhig. „Da irrst Du Dich, Fridtjof. Gerade wegen der Fram wird es mir gelingen. Aber wie ich Dir und den verehrten Männern der Gesellschaft erzählt habe, es geht zum Nordpol. Glaube mir!“

MS Fram und die Crew

Nansen überließ Amundsen tatsächlich die Fram, sogar schon vor der Veröffentlichung seines Nordpol-Plans hatte er ihm diese versprochen – und hielt dann auch später an dem Versprechen fest, wenngleich er wohl schon vermutete, dass Amundsen nicht ganz ehrlich war. Dieses Schiff ist so legendär, dass wir sicherlich auch einen Blog Beitrag in Zukunft über dieses Schiff schreiben werden. Aber was war das Besondere an diesem Schiff?

Zu Deutsch bedeutet Fram „Vorwärts“. Das Schiff wurde zwischen 1893 und 1912 von mehreren norwegischen Entdeckern genutzt – nämlich von Fridtjof Nansen, Otto Sverdrup, Oscar Wisting und dann eben auch von Roald Amundsen – bei Expeditionen in die Arktis und die Antarktis. Kein Holzschiff war wohl weiter nördlich und weiter südlich als die legendäre Fram. Sie wurde von dem schottisch-norwegischen Schiffbauer Collin Archer für die Arktis-Expedition von Nansen im Jahr 1893 entworfen und gebaut. Die Fram ist ein Dreimastschoner mit einer Gesamtlänge von 39 Metern und einer Breite von 11 Metern. Das Schiff ist sowohl ungewöhnlich breit als auch ungewöhnlich flach, um den Kräften des drückenden Eises besser standhalten zu können. Amundsen wusste, dass diese Konstruktion sich als herausragend geeignet für die polaren Gewässer bewiesen hatte, und anstatt wie Scott auf einen alten Walfänger zu setzen (mit allen Vor- und Nachteilen), sah er in der „erfahrenen“ Fram die bessere Alternative. Ursprünglich war die Fram mit einer Dampfmaschine ausgestattet. Vor Amundsens Expedition zum Südpol wurde die Maschine durch einen Dieselmotor ersetzt, eine Premiere für polare Forschungsschiffe.

Auch sein Personal wählte Amundsen geschickt aus. Wie wir in unseren früheren Blog-Beiträgen zu Amundsens Leben schon betont hatten, war es dem norwegischen Expeditionsforscher klar, dass es auf eine sorgfältige Zusammenstellung der Mannschaft besonders ankam. So wählte er auch aus: Zunächst drei Marine Leutnants als Offiziere: Thorvald Nielsen, ein Seefahrer, der zweiter Kommandant werden sollte; Hjalmar Fredrik Gjertsen und Kristian Prestrud. Gjertsen wurde trotz seines fehlenden medizinischen Hintergrunds zum Expeditionsarzt ernannt – Amundsen schickte ihn auf einen ungewöhnlichen Blitzkurs in Chirurgie und – man höre und staune – Zahnheilkunde. Ein Marineschütze, Oscar Wisting, wurde auf Prestruds Empfehlung akzeptiert, weil er die meisten Aufgaben übernehmen konnte. Eine frühe Wahl für die Unternehmung war Olav Bjaaland, ein Meister im Skifahren, der ein gelernter Zimmermann und Skibauer war.

In dieser Wahl kam auch eine andere Vorbereitung zum Ausdruck, die zu dem großen Erfolg von Amundsen beitrug, wenn nicht sogar entscheidend war: Amundsen teilte Nansens Überzeugung, dass Skier und Schlittenhunde bei weitem die effizienteste Methode des arktischen Transports darstellen, und war entschlossen, die geschicktesten Hundetreiber zu rekrutieren. Und ein alter Gefährte kam auch noch an Bord: Helmer Hanssen, der sich auf der Gjøa-Expedition bewährt hatte, willigte ein, wieder mit Amundsen zu reisen. Weitere Männer folgten, darunter der Zimmermann Jørgen Stubberud. Auch er war klug ausgewählte, denn er erwies sich als besonders tauglich für Amundsen. Stubberud baute ein tragbares Gebäude als Basis für die Expedition, das zerlegt und für den Transport mit dem Fram vorbereitet werden konnte.

Die kluge Planung von Roald Amundsen

Der größte Unterschied zur Scott-Expedition waren die Schlittenhunde. Amundsen wollte, anders als die Briten, voll auf diese Tiere setzen, und bestellte daher 100 Schlittenhunde aus Nordgrönland – die besten und stärksten verfügbaren. Aber auch in anderer Hinsicht erwies sich Amundsen wohl als klüger und umsichtiger in der Planung. Besessen von Details, hatte er insbesondere Skistiefel in einem Zeitraum von zwei Jahren entworfen und getestet, die sich perfekt auf dem Eis des Südpols halten würden. Auch die Polarkleidung bereitete er akribisch vor, ebenso wurden die Hundeschlitten sorgfältig aus norwegischer Esche geschlagen. Er wählte auch ganz besondere Zelte aus, die den antarktischen Wetterbedingungen trotzen sollten. Jeder Ausrüstungsgegenstand wurde sehr bewusst ausgewählt. Ebenso wurde die Nahrung gut ausgewählt – Erfahrungen wie auf der Belgica-Mission wollte Amundsen verhindern, und früh plante er, auch Robben zu jagen. Ein interessantes Detail: Zur Unterhaltung sollten auch 3.000 Büchen dienen sowie ein Grammophon. Alles war exzellent vorbereitet – aber der Schlüssel sollte schließlich vor allem in den wichtigen Hunden liegen.

Die Rivalen brechen auf

Scott sticht am 1. Juni 1910 von London aus in See. Gut ausgerüstet und mit erheblichen finanziellen Mitteln sowie breiter öffentlicher Unterstützung versehen, steht Scott an diesem Tag an Bord der Terra Nova, einer Dreimastbank mit Dampfantrieb. Das Schiff war polarerfahren, es hatte schon ein Vierteljahrhundert vor Neufundland als Walfänger gedient. Es ist ein großartiges Schiff – und die Expedition sieht sich gut gerüstet. Die Crew war handverlesen und schien bestens geeignet für das waghalsige Unterfangen, den geografischen Südpol zu erreichen. Unter den 31 Männern waren Biologen, Meteorologen, Physiker – und natürlich auch ein Fotograf. Die Zusammenstellung der Crew entsprach dem Wesen von Scott, der sich der Wissenschaft verpflichtet fühlte und gleichzeitig ein hohes ästhetisches Gespür aufwies.

Amundsen wiederum verließ Oslo am 3. Juni 1910. Seine Crew wusste weiter nicht, wohin es gehen würde, und sie rechneten wohl damit, dass die Route sie schließlich nach Norden führen würde. Die Fram kreuzte zunächst einen Probemonat im Nordatlantik, dann wurden Ende Juli 1910 die Hunde an Bord genommen. Am 9. August lief die Fram Richtung Funchal auf Madeira aus. Noch immer ließ Amundsen den Großteil der Mannschaft im Unklaren über seine wahren Pläne und es bereitete sich Sorge und Unsicherheit aus. Die Stimmung war tatsächlich schlecht – Menschen spüren eben, wenn andere ihnen die Wahrheit vorenthalten. Aber auch das war ein Wesensmerkmal von Amundsen, der zur Erreichung seiner Ziele auf die Gefühle seiner Mitmenschen oft nicht Rücksicht nahm. Am 6. September erreichte die Fram Madeira. Hier informierte Amundsen seine Crew – und sendete auch einen Brief an Nansen, den er seine Pläne offenbarte und ihm erstmals eröffnete, dass er Nansens Schiff auf die gefährlichste Unternehmung dieser Zeit mitnehmen würde. Schließlich versandte er auch das eingangs erwähnte Telegramm an Scott.

„Ein Telegramm, Sir,“ sagte der Junge, und reichte es an Scott. Hier im australischen Melbourne kamen immer wieder Telegramme für ihn an, manche von der Navy, andere von Bewunderern und Förderern. Und so machte sich Scott auch keine besonderen Sorgen, als er den Umschlag in die Hand nahm und öffnete. Er las die Worte.

„Erlaube Sie zu informieren Fram unterwegs nach Antarktis – Amundsen“

Scott las sie noch einmal. Dann schloss er den Umschlag wieder und steckte ihn ein. Für einen kurzen Moment blickte er zum Horizont. Er war Offizier der britischen Navy, der stolzesten Seeflotte der Welt, und er hatte das beste Expeditionsschiff mit der besten Crew. Was sollte schief gehen?

Ja, was schon?

Das Telegramm von Amundsen verunsicherte Scott, den es auf seinen Weg in die Antarktis in Australien erreichte. Gegenüber seinen Männern demonstrierte er Gelassenheit und eine Art britisches Fairplay, indem er darauf verwies, der Bessere möge gewinnen. Trotzdem war Scott in Sorge. Amundsen war nach der Durchquerung der Nordwestpassage kein Unbekannter mehr, zudem hatte Nansens Fram einen hervorragenden Ruf. Außerdem hatte Nansen mit der Durchquerung Grönlands auf Skiern eindrucksvoll bewiesen, wozu norwegische Entdecker fähig waren.

Die Presse war weniger gnädig mit Amundsen. Sowohl die heimische wie auch die britische Presse waren feindlich gestimmt angesichts des Umstandes, dass Amundsen sie über seine wahren Absichten so massiv getäuscht hatte – die Öffentlichkeit wie seine eigene Crew.

Aber das sollte Amundsen nicht stören. Am 9. September 1910 lief die Fram aus. Richtung Südpol. Richtung Schicksal. Und während Amundsen als Gewinner zurückkehren sollte, würde die eigene Expedition von Scott tragisch enden. Aber das ist eine Geschichte für einen anderen Tag – für den vierten Teil unserer Reihe über Roald Amundsen, wenn wir erzählen, was am Südpol geschah.

Eine spannende Geschichte, nicht wahr? Neugierig wie es weitergeht? Dann freuen Sie sich auf den 4. Teil.

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