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Fridtjof Nansen – der große norwegische Entdecker Teil 2: Von der Fram-Expedition zum Völkerbund

„Der Grönland-Plan war bereits verrückt, Nansen. Das hier ist Wahnsinn.“ Andere Männer nickten ebenfalls. Überall sah er stirnrunzelnde Gesichter, Verblüffung, aber auch Ablehnung. Doch Nansen blieb ruhig. Wie schon bei seinem Plan, Grönland auf Skiern zu durchqueren, waren die werten Mitglieder der Norwegischen Geographischen Gesellschaft nicht von seinem Plan beeindruckt. Aber mit nichts anderem hatte Nansen gerechnet. Er ließ sie noch einige Sekunden ihren Gedanken und Worten nachhängen, bevor er wieder sprach. „Ich wiederhole noch einmal, verehrte Damen und Herren. Ich werde ein Schiff bauen lassen, mit dem wir driften werden. So weit Nord wie nie ein Mensch vor uns war. Und wir werden zurückkehren. Alle, jeder einzelne Mann.“ Fridtjof Nansen war ein besonderer Mensch. In dem ersten Teil unserer zweiteiligen Reihe zu seinem Leben haben wir uns seiner Kindheit und Jugend sowie der beeindruckenden Durchquerung Grönlands gewidmet. Nun aber gilt es, den Blick auf die noch größeren Taten seines Lebens zu richten: Die weltberühmte Fram-Expedition und seinen großen Leistungen als Diplomat auf internationaler Bühne.

Die Fram-Expedition

Die Grönland-Expedition hatte Nansen gezeigt, dass er auch gefährliche Unternehmungen meistern kann. Zeit, die nächste, noch größere zu planen. Daher überraschte er die Angehörigen der Norwegischen Geographischen Gesellschaft im Jahr 1890 mit einem tollkühnen Plan: Nansen meinte, belegen zu können, dass das Eis des Polarmeeres von Sibirien in Richtung Spitzbergen driftete. Nun kam das geniale an seinem Plan: Was, wenn er ein Schiff hätte, das vom driftenden Eis angehoben, aber nicht zerquetscht würde? Dann könnte er mit dem Eis driften. Seine Idee: Das Schiff wird vor Ostsibirien eingefroren und wird dann durch die Strömungen über den Arktischen Ozean nach Spitzbergen getragen.

Der Plan stieß auf heftige Kritik. Tollkühn, dumm, ein Todesurteil für die Männer, hieß es. Die norwegische Krone würde ihr Geld verschwenden, wenn dieser Plan, dem kein Seefahrer folgen sollte, in die Tat umgesetzt werde. Aber Nansens Ruf, seine Argumentation, seine Planungen waren formidabel. Das norwegische Parlament bewilligte zwei Drittel der Kosten, der König und Privatpersonen trugen den Rest bei. Nansen konnte loslegen. Und der erste Schritt war der Wichtigste: Ein neues Schiff mit Namen „Vorwärts“ wurde gebaut, ganz nach seinen Vorstellungen. Die berühmte „Fram“ entstand!

Am 24. Juni 1893 stach die Fram von Kristiania aus in See. 14 Mann waren an Bord, Nansen und 13 Begleiter (selbstverständlich durften es nicht 13 insgesamt sein, denn die Zahl galt als Unglückszahl). Nansen setzte seinen Plan um und ließ die Fram bei 78°50′ N, 133°37′ O vom Eis einfrieren. Das Driften auf dem Eis begann genauso, wie Nansen es geplant hatte.

Die Männer standen an Bord und blickten Johansen und Nansen zu, wie sie ein letztes Mal den Proviant prüften. Keiner von ihnen sprach ein Wort. Dies lag an der eisigen Kälte, aber vor allem auch an der Bedeutung dieses Moments.

Nansen und Johansen würden von Bord gehen und nach Norden aufbrechen. Und keiner wusste, ob sie einander jemals wiedersehen würden.

„Männer,“ wandte sich Nansen schließlich an sie. „Verzagt nicht! Es ist eine Reise nach Norden, kein Todesmarsch. Wir werden uns wiedersehen in Norwegen. Alle, wohlbehalten. Darauf gebe ich mein Wort, und noch nie in meinem Leben habe ich eben jenes gebrochen.“

Die Männer nickten und umarmten einander.

Dann ging es los und Nansen blickte nach Norden.

Weit, weit nach Norden.

Nun begann ein großes Abenteuer – und eine der größten Expeditionen der Menschheitsgeschichte. Fast zwei Jahre lang ließ sich Nansen mit dem Schiff treiben und nahm dabei wichtige wissenschaftliche Forschungen vor. Doch sein Entdeckerherz konnte nicht damit gestillt werden, dass er nur auf dem Schiff blieb. Er glaubte, das Schiff würde sicher weiter driften, und daher beschloss er, mit einem Begleiter, F.H. Johansen, die Fram zu verlassen. Am 14. März 1895 verließen die beiden Männer bei 84°4′ N, 102°27′ O das Schiff und mit Hundeschlitten und Kajaks brachen sie nach Norden auf. Bittere Kälte, harte Bedingungen, weit und breit keine anderen Menschen – was muss das für eine Zeit gewesen sein für Nansen?

Franz-Josef-Land

Aber Nansen war nun einmal dieser besondere Mensch, und so erreichten sie am 8. April 1895 86°14′ N – kein Mensch war je weiter im Norden gewesen und hatte darüber berichten können. Aber die Bedingungen waren hier so hart, dass Nansen sich zur Umkehr entschloss. Daher steuerten die beiden Männer dann Richtung Franz-Josef Land. Erstmals am 24. Juli 1895, als sie den Glauben schon fast verloren hatten, sahen sie eine Landmasse. Als sie am 7. August mit den Kajaks dorthin übersetzten, war Nansen sich nicht sicher, ob sie sich wirklich auf einer vorgelagerten Insel von Franz-Josef-Land befanden. Wenig später, am 16. August, konnte er jedoch auf einer Karte Julius von Payers Kap Felders identifizieren. Hoffnung stieg auf, denn von hier aus mussten sie jetzt die Hütte in Eira Harbour, am südwestlichen Ende des Archipels, erreichen. Hier hatte die britische Arktisexpedition (1881–1882) unter Benjamin Leigh Smith eine Hütte mit Versorgungsgütern errichtet. Doch leider stießen sie ganz in der Nähe ihres Ziels auf offenes Wasser, und dann verschlechterte sich aufgrund des nahenden Polarwinters auch das Wetter erheblich.

So schlugen die beiden Männer ihr Winterlager auf einer Insel, die Nansen auf den Namen Frederick Jackson taufte, einen britischen Arktisforscher, den er schätzte. Die Männer bauten eine Hütte aus Stein und deckten sie mit Walrosshäuten ab – das berühmte Nansen Winterquartier entstand. Vom 26. August 1895 bis zum 19. Mai 1896 war diese Hütte der Unterschlupf der Männer. Nansens großes Wissen und seine Kinder- und Jugendzeit in der freien Natur zahlten sich nun voll aus. Die Männer jagten Walrosse und Eisbären, von deren Fleisch sie sich ernährten und deren Speck sie als Brennstoff verwandten.

Mit Abschluss des arktischen Winters entschied Nansen dann nach Spitzbergen zurück zu kehren. In dieser Wildnis, die von keinem Menschen bewohnt war, stieß Nansen mit seinem Begleiter dann doch tatsächlich auf Frederick Jackson mit seinem Versorgungsschiff Windward! Dieser befand sich auf einer eigenen Expedition (der Jackson-Hemsworth-Expedition). Die beiden Männer schätzten sich sehr, und so bot Jackson an, Nansen und Johansen mit zurück nach Norwegen zu nehmen. In der Hoffnung, dass die Fram sicher war, willigte Nansen nur zu gerne ein. Am 13. August erreichte Nansen dann Norwegen – und zu seiner großen Freude kehrte auch die Fram sicher mit den verbliebenen Männern zurück. Nansen wurde zu einem Helden Norwegens und schrieb einen großen Reisebericht: Sein zweibändiger Bericht über die Expedition, Fram over Polhavet (In Nacht und Eis: Die norwegische Polarexpedition. 1893–1896.), erschien 1897.

Ein Leben im Dienst der Menschlichkeit

Nansen hatte bewiesen, dass er zu den größten Entdeckern seiner Zeit gehörte, und hatte die Wissenschaft über die polaren Regionen bereits stark geprägt. Nun war es an der Zeit, sich wieder ganz seiner wissenschaftlichen Studien zu widmen und das Erlebte seiner Expeditionen zu verarbeiten. Daher nahm er 1897 eine Forschungsprofessur an der Universität von Oslo an und schrieb insgesamt sechs Bände über die Entdeckungen auf seinen Reisen. 1908 wurde er dann Professor für Ozeanographie, was auf den ersten Blick überraschte, galt seine Leidenschaft doch dem Eis und den Tieren. Aber tatsächlich hatte Nansen auch bahnbrechende Erkenntnisse zur Ozeanforschung auf seinen Reisen hervorgebracht und diese anschließend weiter vertieft, so dass der Schritt nur logisch war. Daher war es auch kein Wunder, dass er anschließend erneut ab 1908 Expeditionen in die polaren Regionen leitete, dann allerdings vornehmlich mit dem Ziel der Meereskunde.

Nun allerdings begann auch die Zeit, in der der Wissenschaftlicher Nansen sich zum Politiker und Diplomaten weiterentwickelte. 1905 unterbrach er seine Forschungen und wirkte auf politischer Bühne darauf hin, dass Norwegen die Unabhängigkeit von Schweden erreichte. Er wurde Minister und vertrat Norwegen bis 1908 in Großbritannien, anschließend unternahm er jedoch wieder Forschungen, wie eingangs dargestellt.

Dann kam die große Katastrophe für viele Menschen, und auch Nansen empfang sie als schicksalshaft für die Menschheit: Der Erste Weltkrieg brach 1914 aus. Nansen musste seine Forschungen unterbrechen, und Nansen war tief beeindruckt vom Elend der Menschen und den Nationen in diesem Krieg. Er entschloss, etwas zur Änderung beizutragen, und agierte nunmehr zunehmend politischer.

Ein Vorbild

Von 1917 bis 1918 weilte Nansen als Vertreter Norwegens in den USA, dort in Washington D.C. und verhandelte eine Lockerung über die alliierte Blockade, um den Transport wichtiger Lebensmittel zu ermöglichen. Nach dem Kriegsende setzte er dann seine politischen und humanistischen Aktivitäten fort, indem er auf der Friedenskonferenz in Paris für die Gründung des internationalen Völkerbunds eintrat. Nach dessen Gründung arbeitete er dann schließlich im Völkerbund – als Vertreter Norwegens setzte er sich insbesondere für die internationalen Rechte kleinerer Nationen ein.

Eine der größten Aufgaben stand nun nach Kriegsende vor ihm: Nansen war international anerkannt, auch bei dem neuen kommunistischen Regime in Russland genoss er wegen seiner tiefen moralischen Humanität Vertrauen. Deswegen war es keine Überraschung, dass ihm, den Entdeckter Fridtjof Nansen, in der Nachkriegszeit eine historische Mission anvertraut wurde. Er sollte die vielen Hunderttausende von Kriegsgefangenen von Russland in ihre Heimat, insbesondere nach Deutschland, zurückbringen. Nansen nahm diese Aufgabe wahr, wie er alle zuvor angenommen hatte: mit unerschütterlichem Optimismus, umfassender Planung und viel Mut, gepaart mit großem Einfallsreichtum. Deswegen schaffte er es, ab dem Frühjahr 1920 in 1,5 Jahren über 450.000 Menschen zurück in ihre Heimat zu bringen. Welcher Mensch kann schon solche Verdienste für sich in der Geschichte beanspruchen?

Mit diesem großen Erfolg im Rücken setzte Nansen seine humanitäre Arbeit fort. Der Völkerbund setzte 1921 das Hochkommissariat für Flüchtlinge ein. Nansen wurde gebeten, dieses zu verwalten. Es war eine ganz besondere Zeit, die wir heute vielleicht gut nachempfinden können. Es gab viele Flüchtlinge, die keine Ausweispapiere hatten und als staatenlos galten. Nansen führte nun den sogenannten „Nansen-Pass“ ein, ein Ausweisdokument, das 52 Staaten weltweit anerkannten und damit den Menschen Aufnahme in ihren Grenzen ermöglichten und so Familien zusammenführten. Während der neunjährigen Tätigkeit dieses Amtes betreute Nansen Hunderttausende von Flüchtlingen – russische, türkische, armenische, assyrische und assyro-chaldäische – und wandte dabei die Methoden an, die zu Klassikern werden sollten: Betreuung, Repatriierung, Rehabilitation, Neuansiedlung, Auswanderung, Integration. Ein Vorbild auch für die heutige Zeit.

Sein Engagement

Daneben engagierte sich Nansen auch im Roten Kreuz. Er leitete von 1921-22 die Lenkung der Hilfe von Millionen von Russen, die 1921 in eine schlimme Hungersnot gerieten. Die Aufgabe war sehr schwer. Das kommunistische Regime wurde im Westen rundherum abgelehnt, und wer den Russen half, galt als verdächtig, Anhänger des Kommunismus zu sein. Nansen störte das alles nicht. Er sammelte mit großer Energie Geld ein, politische Fragen blendete er aus und verwies nur darauf, dass Menschenleben auf dem Spiel standen. Es gelang ihm, so viel Geld einzusammeln und die Vorräte so geschickt zu verwalten, dass er eine Zahl von Menschenleben mit dem Roten Kreuz rettete, die wir uns heute nicht vorstellen können. Einige Quellen sprechen heute von 7 Millionen Menschen, die Nansen ihr Überleben verdankten, andere sogar von bis zu 22 Millionen. Eine unfassbare Zahl.

1922 unternahm Nansen eine weitere große Rettung von Menschenleben. Die Türkei und Griechenland hatten ebenfalls einen erbitterten Krieg geführt, und auf beiden Seiten lebten viele Flüchtlinge, die jeweils nicht zurück in die andere Nation gelassen worden waren. Nansen arrangierte einen großen Austausch von Flüchtlingen: 1.250.000 auf türkischem Boden lebende Griechen wurden gegen 500.000 in Griechenland lebende Türken ausgetauscht. Zudem wurden Entschädigungszahlungen arrangiert, so dass die Menschen jeweils die Möglichkeit zu einem Neustart hatten. Hätten Sie es gewusst, wie viele Menschen Nansen ihr Leben und ihre Zukunft verdankten? Kein Wunder, dass er 1922 den Friedensnobelpreis erhielt.

Ab 1925 setzte sich Nansen dann mit großer Leidenschaft für die Armenier ein, die im Ersten Weltkrieg ihr Gebiet verloren hatten und sich einem Sterben ihrer Kultur gegenübersahen. Er wollte in Eriwan ein nationales Heim, also eine für sie gedachte Region schaffen. Das misslang aufgrund der politischen Umstände, aber viele Armenier konnten dank Nansen ein neues Zuhause in Syrien und im Libanon finden. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzten die Vereinten Nationen auf Nansens Arbeit auf.

Lebensende

Nansen starb am 13. Mai 1930 und wurde am 17. Mai, dem norwegischen Verfassungstag, begraben. Er wird auf immer in Erinnerung bleiben als großer Entdecker, als weltberühmter Wissenschaftler und noch viel mehr als Humanist, dem Millionen Menschen ihr Leben verdankten. Ein Leben im Dienst der Natur und der Menschheit – ein großer Mann. Es ist daher kein Wunder, das auch heute noch Schiffe der Hurtigruten den Namen Nansen und Fram tragen und damit an diesen großen norwegischen Entdecker erinnern.

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