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Die faszinierende Geschichte der deutschen Polarforschung

Heute ist vielen Menschen, insbesondere Polarfreunden, vor allem eine Einrichtung in Deutschland bekannt: Das Alfred-Wegener-Institut (Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung). Hier gibt es auch das Archiv der deutschen Polarforschung. Aber gab es nur Alfred Wegener? Bei weitem nicht! Die Geschichte der deutschen Polarforschung bis 1945 mag nicht so ruhmreich sein wie die britische oder norwegische, mit klangvollen Namen wie Nansen, Amundsen (Norwegen) oder Scott und Shackleton (Großbritannien). Und doch ist sie spannend! Denn sie ist eng mit der deutschen Geschichte verbunden, genauer gesagt mit dem Wunsch der Deutschen, als große Nation den seefahrenden Engländern die Stirn zu bieten. Werfen wir in unserem Blogbeitrag einen Blick in die Geschichte der Deutschen und ihre Faszination für das Eis.

Der Traum von großen deutschen Entdeckungen

Schauen wir uns Deutschland in der Mitte des 19. Jahrhunderts an: Napoleon hatte das Heilige Römische Reich deutscher Nation Anfang des 19. Jahrhunderts endgültig zerschlagen. Deutschland war geprägt durch viele Einzelstaaten mit unterschiedlichen Systemen und politischen Interessen. Trotzdem träumten vor allem viele junge Deutsche vom Nationalstaat Deutschland, waren doch seit der französischen Revolution überall um sie herum solche Nationen zu ihren eigenen Staaten gekommen. Deutschland war gezeichnet vom Konflikt zwischen den beiden „Supermächten“ Preußen und Österreich-Ungarn und es sollte dann erst Kriegen bedürfen, damit ein deutscher Staat entsteht. Trotzdem nutzten geschickte Forscher den aufkeimenden Nationalismus für die eigenen Interessen. Einer von ihnen war August Petermann. Erdkunde-Freunde wissen vielleicht, dass Petermann (geboren 1822) einer der berühmtesten Geographen weltweit im 19. Jahrhundert war.

1865 war ein großes Jahr für ihn. Der deutsche Nationalismus brodelte – ebenso wie der Konflikt zwischen Preußen und Österreich. Petermann wusste die nationalen Gefühle für sich zu nutzen. Er hielt auf dem Ersten Deutschen Geographentag einen Vortrag über „Die Erforschung der arktischen Central-Region durch eine deutsche Nordfahrt“. Er warb in seinem Vortrag für Spenden deutscher Patrioten für eine Expedition. Petermann vertrat die heute als abstrus anzusehende Theorie, das Nordpolarmeer wäre tatsächlich ab einem gewissen Punkt vollständig eisfrei. Von dort aus könnte ein Schiff bis zum geographischen Nordpol kommen. Deutschland sollte als erste Nation diesen Punkt erreichen und damit einen wichtigen Meilenstein für die deutsche Seefahrtgeschichte setzen. Das war eine geschickte Verpackung, wusste er doch, dass auf diese Weise wohlhabende Deutsche spenden würden. Seine Theorie begründete er übrigens damit, dass das Meer aufgrund des warmen Wassers des Golfstroms in bestimmten Bereichen nicht zufrieren könnte. Wir wie heute wissen, ein fataler Irrtum.

Aber das Geld floss. Die deutsche Nordpolarforschung begann also aus nationalen Gefühlen heraus. 1868 war schließlich das Jahr, in dem das erste Schiff unter Kapitän Carl Koldewey in See stach. Am 24. Mai 1868 lief die heute wenig bekannte „Grönland“ Richtung Norden aus. Das Ziel: Die grönländische Ostküste erreichen. Von dort aus sollte es dann nach Petermanns Plänen gen Norden zum Nordpol gehen. Das gelang jedoch nicht. Die Grönland kam nur bis Spitzbergen, das Meer war zugefroren, und die Deutschen mussten umkehren und konnten Petermanns Theorie nicht bestätigen. Doch tatsächlich wurde die Fahrt nicht als Fehlschlag gewertet, brachten die Männer doch wichtige und spektakuläre Forschungsdaten zu Eis und Meer mit heim. Petermann wusste dies erneut gut zu verkaufen. Es bildete sich eine Bürgerinitiative, und reiche preußische Kaufleute drängten auf eine weitere deutsche Expeditionsfahrt. Schon 1869 stach Koldewey, privat finanziert, wieder in See. Er überwinterte dieses Mal mit dem Schiff an der Küste Grönlands.

Die Entdeckung des Franz-Josef-Land Archipels

Der berühmte Arktisforscher Karl Weyprecht wurde am 8. September 1838 in Bad König geboren und trieb ein erfolgreiches Programm internationaler Zusammenarbeit bei polarwissenschaftlichen Untersuchungen voran.

Unter der Schirmherrschaft der österreichischen Regierung, mit Julius Payer als Leutnant, nahm Weyprecht an zwei Arktisexpeditionen teil, um die sagenumwobene Nordostpassage – eine Wasserstraße vom Atlantik zum Pazifik nördlich der eurasischen Landmasse – zu finden. Auf der zweiten dieser Expeditionen (1872-74) geriet sein Schiff in das Polareis und trieb über ein Jahr lang, bis er am 30. August 1873 Franz Josef Land sichtete. Hier verbrachte er das nächste Jahr mit der Erforschung der Region. Schließlich verließ er sein Schiff und erreichte nach einer 96tägigen Reise mit dem Schlitten und einem kleinen Boot Novaya Zemlya, einen Archipel südlich von Franz Josef Land.

Nach seiner Rückkehr nach Österreich schlug er interessierten Regierungen vor, eine oder mehrere wissenschaftliche Stationen einzurichten, in denen gleichzeitig gearbeitet werden konnte.

Die Erforschung des Pols verbindet

Es begann die große Zeit des Kanzlers Bismarck. Wie wir alle aus dem Geschichtsunterricht wissen, konnte Preußen sich im deutsch-deutschen Bruderkrieg gegen Österreich-Ungarn durchsetzen und die deutsche Führung übernehmen Es folgte ein Krieg gegen Frankreich, der gewonnen wurde, und 1871 entstand das Deutsche Reich. Überall auf der Welt kam der Kolonialismus zu seinem Höhepunkt, der Wettlauf um Kolonien hatte begonnen. Deutschland wollte unbedingt ebenfalls Kolonien gewinnen. Militärische Aufrüstung und Kriegsrhetorik überall.

Und doch ist es bemerkenswert, wie der Traum vom Nord- und Südpol die Menschen verband. Über alle Grenzen hinweg, über alle politischen und wirtschaftlichen Konflikte. Eine Gruppe von internationalen Forschern, unter denen Deutsche wie Georg von Neumayer eine große Rolle spielten, setzen durch, das erstmals 1882 das „Internationale Polarjahr“ ausgerufen wurde. Für damalige Zeiten nahezu sensationell stellten die Deutschen und andere Nationen, insgesamt 11 Länder in den Jahren 1882 und 1883 12 gemeinsame Stationen in der Arktis und 2 in der Antarktis auf. Das ist für uns von Eisexpeditionen.de ein faszinierender Gedanke: In einer Zeit des ausgeprägten Nationalismus und der europäischen Feindschaft verbanden sich Forscher durch die Faszination des Eises über Landesgrenzen miteinander. Die Deutschen spielten dabei eine große Rolle – ausgerechnet die Nation, die später als „Kriegstreiber“ angesehen werden sollte, war wissenschaftlich vom Gedanken der Kooperation geprägt. So wurde die große Tradition der weltweit anerkannten deutschen Forschungsschifffahrt gelegt.

Dem Unternehmen folgten ein zweites Internationales Polarjahr (1932-33) und das Internationale Geophysikalische Jahr (1957-58).

Die deutschen Antarktisexpeditionen und weitere Forschungsbestrebungen

Von Kiel aus ging es los: Auf dem deutschen Polarforschungsschiff Gauß startete der Geomorphologe Erich von Drygalski die erste deutsche Antarktisexpedition. Warum Gauß (bzw. der Taufname GAUSS)? Der Name erinnert an Carl Friedrich Gauß, der als erster die Lage der magnetischen Pole berechnet und damit einen bemerkenswerten wissenschaftlichen Beitrag geleistet hatte. Als Vorlage für die Konstruktion diente die Fram von Fridtjof Nansen. Das Schiff, ein Dreimaster, war extra für die polaren Regionen ausgestattet worden und besaß einen für den Südpol gut geeigneten Schraubenantrieb und eine Dampfheizung. Fast zwei Jahre dauerte die erste deutsche Antarktisexpedition und kehrte 1903 nach Kiel mit sensationellen Forschungsergebnissen zurück. Interessantes Detail: Die Gauß blieb kein deutsches Schiff. Sie wurde 1904 an Kanada verkauft. Das Schiff wurde von der kanadischen Regierung dann in Arctic umbenannt und von dem Kapitän Bernier für seine berühmten Nordpolarfahrten genutzt – sieben Jahre lang.

Der nächste bemerkenswerte deutsche Polarforscher ist Wilhelm Filchner. Filchner, ein Geograph, war der Sohn einer wohlhabenden Münchener Familie. Er war zu Ruhm gelangt, weil er schon als junger Mann abenteuerliche Reisen quer durch Russland unternahm. Seine Erzählungen darüber lasen viele Menschen in Deutschland. Er wurde dann vom Deutschen Kaiserreich auch mit offiziellen Aufgaben betreut, wie der Leitung einer Expeditionsreise nach Tibet. Öffentliche Begeisterung entstand dann, als Filchner im März 1910 eine zweite deutsche Antarktisexpedition vorstellte. Die Finanzierung dafür? Er sicherte sie sich durch eine öffentliche Lotterie – für heutige Vorstellungen unglaublich.

Und welchen Namen sollte sein frisch gekauftes Forschungsschiff tragen? Selbstverständlich „Deutschland“. Es war eine patriotische Zeit, und die Öffentlichkeit hatte daher einen entsprechenden Namen für das Schiff erwartet. Im Mai 1911 lief die Deutschland in Bremerhaven aus, erreichte Buenos Aires und bereitete sich dort auf die große Expedition vor. Am 4. Oktober 1911 nahm das Schiff dann Kurs Richtung Südpol. Filchner wollte eine Passage quer durch die Eismasse finden – damals war völlig unbekannt, ob der Südpol aus einer einheitlichen Landmasse oder aus vielen nicht zusammenhängenden Inseln bestand. Doch das schlechte Wetter machte Filchner einen Strich durch die Rechnung. Seine Überwinterungsstation wurde wohl durch eine Springflut zerstört. Dennoch gilt die Expedition bis heute als wissenschaftlich bedeutsam: Filchner entdeckte auf dieser Expedition das zweitgrößte Schelfeis der Antarktis, das nach ihm benannte Filchner-Ronne-Schelfeis in der Weddellsee.

Das Schiff wurde im März 1912 vom Packeis eingeschlossen und Filchner und seine Männer mussten lange neun Monate ausharren. In dieser Zeit driftete das Schiff nach Norden, kam im Dezember 1912 bei Südgeorgien wieder frei und fuhr heimwärts.

Auf nach Spitzbergen

Spitzbergen und seine wilde polare Natur faszinieren nicht nur uns und die Freunde von Eisexpeditionen. Auch die deutsche Polarforschung richtete um 1910 ihren Blick nach Norden.

Graf Ferdinand von Zeppelin ist uns sicher allen ein Begriff. Der Namensgeber der großen Luftschiffe hatte nach dem Erfolg seiner Entwicklungen einen großen Traum: Die Entdeckung des geographischen Nordpols via Zeppelin. Das gelang dann später Roald Amundsen. Aber die Deutschen legten die grundlegenden wissenschaftlichen Bausteine für die späteren Expeditionen. Zeppelin finanzierte eine Expedition, die 1910 auf Spitzbergen untersuchte, wie eine Polarexpedition mittels Zeppelin ein Erfolg werden konnte. Insbesondere wurde geprüft, wie sich Zeppeline in den Luftströmen der Arktis bewegen würden. Die bittere Erkenntnis war jedoch, dass die damaligen Zeppeline noch nicht in der technischen Lage zu einer solchen Expedition waren. Aber trotzdem sammelte auch diese Expedition wichtige Forschungsdaten.

Aber auch ansonsten wurde Spitzbergen bedeutsam für deutsche Forschungen. Kurt Wegener, der Bruder von Alfred, leitete dort 1912/1913 ein deutsches Observatorium.

Die große Zeit des Alfred Wegener

Damit wären wir auch bei Alfred Wegener angekommen. Diesem großen deutschen Polarforscher werden wir sicher bald auch einen eigenen Blogbeitrag widmen. Aber in aller Kürze schon einmal vorab: Wegener wurde vor allem durch seine Zweite Grönlandexpedition in den Jahren 1912/1913 in Deutschland sehr bekannt. Die Expedition nach Grönland hatte Abenteuer und Gefahren zu bieten: Ein kalbender Gletscher hätte die Männer fast getötet, der Expeditionsleiter Koch fiel in eine Gletscherspalte und konnte nur mit Mühe gerettet werden. Dennoch gelang der Expedition etwas Sensationelles. Sie durchquerte Grönland auf einer Strecke, die doppelt so lang war wie die von Fridtjof Nansen zuvor. Die Erzählungen darüber sind sehr spannend. Die Gruppe kam fast um, als sie kurz vor der Küste war. Die Lebensmittel waren ausgegangen, das Gelände unwegsam. Schweren Herzens entschlossen sich Wegener und seine Männer, den geliebten Hund, der sie begleitet hatte, zu verspeisen, um zu überleben. Vielleicht hatte Gott dann Mitleid mit den Männern: Ein Pastor einer grönländischen Region fand die entkräfteten Männer, als er zwischen zwei Gemeinden pendelte. Er brachte sie in Sicherheit.

Alfred Wegener war ein besonderer, charismatischer Mensch, der die deutsche Nachkriegszeit jedenfalls im Hinblick auf die Meeresforschung prägte. Er zog nach Hamburg und wurde Professor an der Universität Hamburg. Seine Liebe galt aber weiter dem Eis. Daher wurde seine letzte große Grönlandexpedition 1930 auch großzügig mit staatlichen Mitteln ausgestattet, und wieder machte sich Wegener auf die größte Insel der Welt auf. Dieses Mal jedoch endete die Reise tragisch. Wegener war mit einem grönländischen Begleiter unterwegs von einer Forschungsstation, als er wohl im November 1930 an Herzversagen starb. Sein Begleiter grub ihm ein Grab, das am 12. Mai 1931 gefunden wurde. Von dem grönländischen Begleiter selbst fehlt bis heute jede Spur – wie leider auch von Wegeners sorgfältig geführtem Tagebuch.

Eine letzte Expedition vor dem Krieg

Schließlich finanzierten die Nationalsozialisten vor dem Zweiten Weltkrieg 1938/39 eine Antarktisexpedition. Diese jedoch war nicht von Forschungszwecken geprägt. Tatsächlich wollten das Regime Teile der Antarktis annektieren und dann von dort aus Walöl nach Deutschland bringen. Diese bizarre Idee war Teil von Hitlers Plan, Deutschlands Wirtschaft autark zu machen und so auf einen Angriffskrieg vorzubereiten. Mit dem Beginn des schlimmen Zweiten Weltkriegs geriet dieses Unterfangen dann aber fast in Vergessenheit.

Heute ist die deutsche Forschung in der Arktis und Antarktis natürlich von friedlichen Zwecken geprägt und international eingebunden. Sie steht in der Tradition der friedlichen Forscher des 19. Jahrhunderts.

Wollen auch Sie zum deutschen Forscher werden auf Ihrer persönlichen Expeditionskreuzfahrt in die polaren Welten? Dann sprechen Sie uns an. Wir planen mit Ihnen Ihre perfekte Expeditionskreuzfahrt.

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