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Deutsche Wetterstationen in der Arktis: Von den „Opfern des Eisbären“ zu der „letzten Kapitulation“

In der Arktis finden auch heute noch Entdeckungen statt, die uns faszinieren. Sie erzählen auch spannende Geschichten, die fast in Vergessenheit geraten. Heute wollen wir in unserem Blogbeitrag einen Blick wenden auf ein Kapitel der deutschen Geschichte: Wetterstationen in der Arktis. Sie erzählen seltsame, tragische Geschichten: von den letzten deutschen Soldaten, für die der Zweite Weltkrieg nicht im Mai 1945 endete, und von der „Rache der Natur“ an den deutschen Besatzern. Zwei dieser Geschichten wollen wir Ihnen im heutigen Blogbeitrag nahebringen.

Die geheime Wetterstation, die einem Eisbären zum Opfer fiel

2016 fanden russische Forscher eine geheime deutsche Wetterstation auf Franz-Josef-Land. Sie erzählt, wie deutsche Besatzer die Natur unterschätzten.

Kurz noch einmal zur Einordnung: Auf dem Archipel Franz-Josef-Land finden wir die nördlichsten Stellen Eurasiens, genauer nämlich das Kap Flügel auf der sogenannten Rudolf-Insel (81° 51′ N Breite). Von dort aus sind es nur noch etwa 900km bis zum Nordpol. Die Inseln sind sehr zerteilt durch einzigartige Fjorde und Buchten und überwiegend natürlich mit Eis bedeckt. Insgesamt begrenzen die Inseln die Barentssee im Norden. Hier leben sehr viele Eisbären – auch deswegen stellt diese Region heute eines der spannendsten Expeditionsgebiete für polare Kreuzfahrten dar.

Im zweiten Weltkrieg fanden hier keine offenen Feldschlachten statt. Trotzdem war diese Region militärisch bedeutsam. Zwischen 1941 und 1945 errichtete die deutsche Militärführung mehrere geheime Wetterstationen in der Arktis, verteilt über Ostgrönland, Spitzbergen und Franz-Josef-Land. Warum macht es Sinn, Soldaten und militärisches Personal in diese entlegenen Regionen zu entsenden und dafür wichtige militärische Ressourcen einzusetzen? Tatsächlich wegen der guten Wettervorhersagen! Wer das Wetter sehr gut einschätzen konnte, war in der Lage, seine eigenen Schiffe durch das Gebiet zu lotsen, auf diese Weise Feinden in den Rücken zu fallen oder unentdeckt Nachschubrouten zu sichern. Ebenso konnten für den Krieg im Osten die besten Routen für deutsche Bomber berechnet und verhindert werden, dass sie bei schlechtem Wetter in Gefahr gerieten. Auch die Alliierten hatten solche Wetterstationen. Es war aufgrund der Weite der unerforschten Regionen wenig wahrscheinlich, dass sie entdeckt wurden. Doch gelegentlich geschah es trotzdem. Dieses Schicksal traf beispielsweise „Nussbaum“; eine deutsche Wetterstation auf West-Spitzbergen. Sie wurde von alliierten Kräften während des Zweiten Weltkriegs entdeckt, bombardiert und vollständig zerstört.

Eine der Wetterstationen, die nicht von Feinden zerstört wurde, war die Station „Glücksritter“ (auch „Schatzgräber“ genannt). Sie wurde erst 2016 wieder von russischen Forschern entdeckt. Tatsächlich fiel sie einem Eisbären zum Opfer – aber anders, als Sie denken.

Wettertrupp „Schatzgräber“

Die Station wurde nordöstlich von Spitzbergen auf Franz-Josef-Land errichtet. Ausgestattet mit der besten Technologie der damaligen Zeit, galt sie als wichtiger militärischer Baustein im Krieg gegen die Sowjetunion. Die dort stationierten Männer sicherten die Umgebung mit einem Minenfeld. Sie wurden durch U-Boote und häufig auch durch Fallschirmabwürfe versorgt.

Aber offenbar reichte das den Männern nicht.

Die Gier

Großes Gejohle machte sich unter den Männern breit. „Seht euch an, was Werner und Gerhard mitgebracht haben.“

Gerhard Hoffmann, der Sanitäter, warf einen Blick auf das, was dort auf dem Boden lag, mitgezogen von seinem Namensvetter, dem Wetterinspektor Gerhard Walli und dessen Waffenkameraden Werner Blankenburg. Der Anblick versetzte ihn nicht in Freude, eher in eine Art Kummer. Die beiden anderen Männer hatten einen der mächtigen Eisbären erlegt, die sie zuletzt immer aus der Ferne beobachtet haben.

„Du isst bestimmt nichts,“ sagte Werner an ihn gewandt.

„Nein,“ schüttelte der Sanitäter den Kopf und zog sich in der Kälte die Jacke enger an den Körper. „Danke.“

Werner warf ihm einen mürrischen Blick zu. „Immer nur Konserven. Sie sind schon ganz zerbeult, wenn sie aus dem Flugzeug kommen.“

Gerhard lächelte. „Mag sein,“ sagte er. „Aber ich bevorzuge sie. Vielleicht…solltet ihr das auch.“

Aber die Männer hörten nicht auf ihn.

Der fatale Irrtum der Deutschen

Am 30. Mai 1944 erlegten zwei der deutschen Besatzungskräfte der Station einen Eisbären. Glücklich über ihren Erfolg, wurde das Fleisch des Eisbären anschließend zu Hackfleisch verarbeitet und der Besatzung roh gereicht. Alle Männer bis auf einen ließen es sich schmecken – nur der Sanitäter verzichtete. Er war Vegetarier.

Wie sich herausstellte, war dies eine kluge Entscheidung. Innerhalb weniger Tage erkrankte der Gefreite Blankenburg als erster schwer. Dann folgten alle weiteren Männer, die von dem Fleisch aßen. Sie litten an Trichinose, einer Wurmkrankheit, die durch den Verzehr des rohen Fleisches ausgelöst wurde. Der Eisbär hatte sich auf seine Weise gerächt. Mancher wird nun denken, die Natur findet immer ihren Weg.

Der Sanitäter Hoffmann erkannte, dass die Männer in großer Gefahr waren. Ihm fehlte die notwendige Medizin, um sie zu behandeln. Daher informierte er das Oberkommando. Am 11. Juli wurden die Männer durch ein Flugzeug evakuiert. Soldaten bauten notdürftig die Wetterstation ab, die Technik wurde per U-Boot verfrachtet.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs versuchte Deutschland mehrfach mit der Sowjetunion wegen der Wetterstation Kontakt aufzunehmen. Man wies auf die Gefahr durch den Minengürtel hin. Doch erst 2016 fanden russische Forscher die Station und ihre Überreste, mit ihr auch Relikte aus der nationalsozialistischen Zeit. Der Minengürtel wurde entschärft.

Es war also ein Eisbär, der diese deutsche Unternehmung im Zweiten Weltkrieg zum Scheitern brachte.

Die letzte Kapitulation

Aber es ist nicht die einzige seltsame Geschichte um deutsche Wetterstationen im Zweiten Weltkrieg. Wussten Sie, dass für einige Deutsche der Zweite Weltkrieg nicht im Mai 1945 endete?

Unter den Lesern werden sicher einige die Geschichte von Hiroo Onoda kennen. Der Japaner hatte 30 Jahre lang auf den Philippinen für sein Heimatland Japan weitergekämpft – nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Er hatte die Nachrichten über das Kriegsende und die japanische Kapitulation als Propaganda eingestuft und weiter stur seine Befehle befolgt. In Japan wurde er wegen seiner Treue zum Kaiserreich als Held verehrt – ein zweifelhafter Ruhm.

Ganz so lange dauerte es für die letzten deutschen Soldaten nach dem 8. Mai 1945, dem Kriegsende, nicht. Aber eben doch einige Monate länger.

Die Station „Haudegen“ wird ihrem Namen gerecht

Im Sommer 1944 brachte das deutsche U-Boot U-307 11 Männer in die inneren Teile des Rijpfjords. Das ist ein Fjord an der Nordseite des Nordauslandet, Svalbard. Der wenig erforschte Fjord hat eine Länge von etwa 40 Kilometern und eine Breite von etwa 12 Kilometern und wird selten von Schiffen angefahren. Der Fjord ist nach dem niederländischen Entdecker Jan Rijp benannt, der nie auch nur in die Nähe des Fjordes kam.

Die Männer erhielten Vorräte und Ausrüstung und waren dann auf sich allein gestellt. Mit dem überlassenen Baumaterial errichteten sie als Basis eine Sperrholzhütte und bauten die meteorologische Ausrüstung auf. Nach dem Aufbau begann die Arbeit: Täglich erreichten die deutsche Wetterstation in Tromsø fünf codierte Nachrichten mit Wettervorhersagen für die deutschen Streitkräfte. Bekannt ist von den Männern vor allem der Geologe Wilhelm Dege. Denn dieser nutzte die Zeit, die er nicht mit Wettervorhersagen verbrachte, intensiv, um die Gegend zu studieren und später darüber zu berichten. So hatte die Tragik des Zweiten Weltkrieges für seine Forschungen einen positiven Aspekt.

Weniger positiv war für die Männer dann der Mai 1945. Der Zweite Weltkrieg endete. Das deutsche Hauptkommando antwortete den Männern nicht mehr auf ihre Nachrichten. Sie ahnten, dass der Krieg wohl vorbei war und auch, dass sie in Vergessenheit gerieten. Dege und seine Kameraden begannen nun unverschlüsselte Nachrichten zu senden, Wettervorhersagen und Bitten an Schiffe, sie abzuholen.

Niemand antwortete.

Das Wetter wurde kälter, die See rauer. Der arktische Winter näherte sich. Die Männer waren verzweifelt, aber wollten überleben. Sie machten ihre Hütte winterfest und legten Vorräte an, sicher in dem Glauben, das sie mindestens noch den arktischen Winter überstehen mussten. Was muss das für eine verzweifelte Zeit gewesen sein? Ein sinnloser Krieg an seinem Ende, vergessen in der Arktis, und niemand, der sie in den Wirren des Kriegsendes suchte.

Was muss es für die Männer dann für ein Moment gewesen sein, als in der Nacht vom 3. auf den 4. September 1945 Lichter in der Dunkelheit erschienen. Ein Schiff hatte die verzweifelten Nachrichten der Männer empfangen. Es war die Basel, ein norwegisches Robbenschiff. Kapitän Albertsen, ein Norweger, hatte kein militärisches Kommando, aber ein gutes Herz. Er nahm die überglücklichen Deutschen an Bord. Bei einem gemeinsamen Abendessen dankten die Deutschen ihren Rettern und zu später Stunde übergab Kommandant Dege dem verdutzten Kapitän Albertsen seine Pistole. Das letzte deutsche Kommando kapitulierte damit am 4. September 1945, fast vier Monate nach Kriegsende.

Das sind nur zwei Geschichten aus der Arktis – einer Region, die auch heute noch in weiten Teilen unerforscht ist. Werden Sie mit einer Expeditionskreuzfahrt zum Entdecker und besuchen Sie die Regionen, von denen wir hier berichten. Wir von Eisexpeditionen.de freuen uns darauf, mit Ihnen Ihre perfekte Expeditionskreuzfahrt zu planen.

Ihr Team von Eisexpeditionen, Ihr Spezialist, wenn es um Expeditionskreuzfahrten geht!
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